Worauf wir uns 2022 besonders freuen?
Herr Saß, die Pandemie bleibt uns auch im neuen Jahr erhalten. Für uns alle persönlich sowie für Teile der Wirtschaft sind die Auswirkungen enorm. Wie war das vergangene Jahr für unsere Genossenschaft?
Matthias Saß: Ich persönlich wünsche mir für das Jahr 2022, dass wir endlich zur Normalität zurückkehren. Während einige Wirtschaftszweige stark gelitten haben, können wir trotz aller Umstände mit dem vergangenen Geschäftsjahr sehr zufrieden sein. Wir haben durch unsere Neubautätigkeit ein gesundes Wachstum verzeichnet und die Genossenschaft steht wirtschaftlich auf einem soliden Fundament. Unsere Bilanzsumme liegt jetzt bei 468 Millionen Euro. Leerstände gibt es nur, wenn wir Wohnungen bei Mieterwechsel modernisieren oder zum Abbruch vorsehen. Zudem konnten wir die anhaltend hohe Nachfrage nach unseren Wohnungen mit weiteren 113 Neubauwohnungen bedienen.
Planen Sie im kommenden Jahr weitere Neubauprojekte?
Thomas Speeth: Ja. Unser aktuell größtes Projekt ist unser Haus der Genossenschaft am Rübenkamp, das voraussichtlich im Sommer 2023 fertig gestellt wird. Darüber hinaus bebauen wir den Südteil unseres Grundstücks am Petunienweg in Sasel. Dort entsteht eine Wohnanlage mit 38 frei finanzierten Zwei- bis Vierzimmerwohnungen und zwei Tiefgaragen. Den Nordteil des Grundstücks haben wir bereits bebaut und vor mehr als einem Jahr 47 Neubauwohnungen an unsere Mitglieder übergeben.
Neubauprojekte unterstützt auch die neue Bundesregierung unter Olaf Scholz. Bundesweit sollen jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen. Ein Plan, der aber auch den Klimazielen schadet: Denn jeder Neubau geht mit enormem Material-, Energie- und Flächenverbrauch einher. Wie begegnen Sie diesem Dilemma?
Matthias Saß: Jetzt Neubauprojekte einzustellen, würde für Hamburg und unsere Mitglieder bedeuten, weniger bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Nachfrage ist jedoch ungebrochen und somit setzen wir uns mit voller Überzeugung für die im Bündnis für das Wohnen getroffenen Vereinbarungen ein. Hinzu kommen die gemeinsamen Klimaziele. Wir sehen uns in der Verantwortung, den Bau neuer Wohnungen in einem möglichst klimafreundlichen Rahmen zu planen, zum Beispiel indem wir umweltschonendes Baumaterial verwenden und technische Voraussetzungen für Elektromobilität schaffen. Und darüber hinaus bei unseren bestehenden Wohnanlagen den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Was bedeutet das konkret?
Matthias Saß: Eine unserer umfangreichsten Maßnahmen ist und bleibt die energetische Modernisierung. Im vergangenen Jahr investierten wir dafür 4,3 Millionen Euro. Wir dämmen die Fassaden, tauschen Fenster aus, gestalten Balkone und Hauseingänge neu und nehmen einen hydraulischen Abgleich des Heizungssystems vor. Sofern die Möglichkeiten vorhanden sind, stellen wir zudem Schritt für Schritt bei der Energiegewinnung auf Fernwärme um und ermöglichen unseren Mitgliedern dadurch eine starke Energie- und CO2-Reduzierung. Um Synergien in der Zusammenarbeit mit weiteren Wohnungsunternehmen zu schaffen, sind wir vor kurzem zudem der Initiative Wohnen.2050 e.V. beigetreten. Ein Zusammenschluss engagierter Wohnungsbauunternehmen für den Wissensaustausch, die gegenseitige Unterstützung und die gemeinsame Arbeit an Lösungen und Finanzierungsstrategien zur Erreichung der Klimaziele.
Der grüne Verkehrssenator Hamburgs pocht vor allem auf autofreie Innenstädte, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Radnetzes. Wie stehen Sie dazu?
Thomas Speeth: Wir wollen den Umstieg auf das Fahrrad unterstützen. Ein erstes Testmodell mit Elektrofahrrädern starten wir in unserer Wohnanlage am Rübenkamp. In Kooperation mit dem Lastenrad Anbieter sigo stellen wir unseren Mitgliedern zwei Lastenräder mit Elektroantrieb zur Verfügung. Wenn unsere Idee angenommen wird, setzen wir sie in weiteren Wohnanlagen um.
Planen Sie weitere Projekte zur Erreichung der Klimaziele?
Thomas Speeth: In der inneren Stadt gibt es Möglichkeiten zur Fassadenbegrünung. In diesem Jahr beschäftigen wir uns eingehender mit dem Thema. Da sie CO2 binden, sorgen Grünfassaden für eine spürbar bessere Luftqualität. Aktuell prüfen wir außerdem den Ausbau von Elektromobilität. Zur Bedarfsermittlung haben wir eine Umfrage unter eintausend unserer Stellplatznutzerinnen und -nutzern durchgeführt. Daraus können wir schließen, dass wir in den nächsten fünf Jahren 15 Prozent unserer Stellplätze für Elektromobilität vorrüsten müssen. Gemeinsam mit einem Ingenieurbüro erarbeiten wir nun ein Konzept zur Elektroladeinfrastruktur für unseren gesamten Wohnungsbestand. Es sollen Ladestationen mit einheitlichen Standards für unsere Mitglieder entstehen.
Da bleiben größere Investitionen vermutlich nicht aus.
Thomas Speeth: Richtig. Allein die Installation eines neuen Hausanschlusses kostet uns mehrere zehntausend Euro pro Tiefgarage. Die Umsetzung klimafreundlicher Projekte bedeutet auch immer einen enormen Kostenaufwand.
Hat das auch Auswirkungen auf unsere Genossenschaft? Auf dem freien Wohnungsmarkt kennen die Mietpreise seit Jahren nur eine Richtung. Der aktuelle Mietenspiegel liegt bei einer durchschnittlichen Kaltmiete von 9,29 Euro pro Quadratmeter. 2019 waren es noch 8,66 Euro …
Matthias Saß: Das liegt an den hohen Kosten für Neubau und energetische Modernisierungen. Die Bau- und Instandhaltungskosten sind in den vergangenen drei Jahren um 14,5 Prozent angestiegen. Mit unserer durchschnittlichen Grundnutzungsgebühr von 7,40 Euro pro Quadratmeter für unsere frei finanzierten Wohnungen liegen wir weiterhin deutlich unter dem Mietenspiegel. Aber natürlich wirken sich die hohen Kosten auch auf die Bewirtschaftung und Erhaltung unseres Wohnungsbestandes aus. Auch wir werden unsere Wohnwertmiete deshalb weiterhin anpassen.
Lassen Sie uns noch einen Blick auf unsere Engagierten werfen: Die Pandemie macht den persönlichen Austausch ja leider immer noch schwer. Wie funktionierte dies im letzten Jahr?
Thomas Speeth: Immerhin konnten wir unsere neu gewählten Vertreterinnen und Vertreter im vergangenen Herbst endlich persönlich kennen lernen. Unter Berücksichtigung der Hygienemaßnahmen haben wir uns mit 100 von ihnen persönlich treffen können, weitere waren über einen Livestream wenigstens virtuell dabei. Wir hoffen, dass persönliche Treffen in den kommenden Monaten wieder normal für uns alle werden.
Worauf können wir uns im kommenden Jahr freuen?
Matthias Saß: 2022 möchten wir wieder das erleben, was unsere Genossenschaft auszeichnet: das nachbarschaftliche Miteinander! Daher ermöglichen wir mit unseren Engagierten in unseren Gemeinschaftsräumen und Quartierstreffs wieder Angebote. Wir entwickeln derzeit ein Schutz- und Maßnahmenkonzept, das in diesem Jahr hoffentlich in Kraft treten kann. Dann können sich unter 2Gplus-Bedingungen wieder Menschen in unseren Quartieren zum Kaffeetrinken und zum Klönschnack treffen.
Darauf freuen wir uns schon jetzt – vielen Dank für das Interview!