Unsere Quartiere im Wandel

Die wechselvolle Geschichte der Matthias-Strenge-Siedlung

Natur pur im Norden von Hamburg – hier liegt der ruhige und grüne Stadtteil Poppenbüttel. Das Naturparadies lockt nicht nur die hier lebenden jungen Familien sowie Seniorinnen und Senioren vor die Haustüre. Viele Hamburgerinnen und Hamburger nutzen die schattigen Wanderwege entlang der Alster oder durch den Park für einen Spaziergang. Auf Einkaufsmöglichkeiten müssen die Bewohnerinnen und Bewohner in der Idylle auch nicht verzichten – viele Cafés, Restaurants und das große Alstertal Einkaufszentrum bieten zahlreiche Möglichkeiten für eine ausgiebige Einkaufstour.

Im südlichen Poppenbüttel – dort wo die Alster sich an Wäldern und Wanderwegen entlangschlängelt – liegt eine unserer älteren Wohnanlagen. Beschaulich ragen die in den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts erbauten Einzel- und Doppelhäuser zwischen grünen Vorgärten hervor, die dem gesamten Viertel einen dörflichen Charakter verleihen. Die Häuser sind in klassischem Hamburger Rotklinker gehalten. Seit dem Jahr 2001 fügen sich eine Vielzahl an Neubauten harmonisch ein. Kaum etwas deutet auf die wechselhafte Geschichte dieser Wohnhäuser hin, die bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückreicht:

Im Jahr 1933 erwarb unsere Genossenschaft in Poppenbüttel ein Siedlungsgelände mit einer Fläche von rund 50.000 Quadratmetern, die sich durch Zukäufe bald weiter vergrößerte und heute rund 57.000 Quadratmeter beträgt. Der Stadtteil im Nordwesten von Wandsbek war damals noch ein preußisches Dorf und wurde erst 1937 eingemeindet. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erfreute sich Poppenbüttel bei den Hamburgerinnen und Hamburgern aber als Ausflugsziel steigender Beliebtheit. Seine Attraktivität als Wohnort wuchs durch eine verbesserte Verkehrsanbindung an die Hansestadt. In den 1930er Jahren wurde damit begonnen, große Teile der Gemeinde planmäßig „aufzusiedeln“.

Die Anfänge der Matthias-Strenge-Siedlung

Das Projekt Siedlungsbau – im Sinne einer planmäßigen Stadterweiterung durch aufeinander abgestimmte Gebäudegruppen – stellte für uns eine neue Erfahrung dar. Ungeachtet dessen lief das Vorhaben erfolgversprechend an: Die ersten zehn Siedlungshäuser bauten wir 1934. Weitere 32 Häuser errichteten wir im Folgejahr. Das Bauprojekt schlossen wir 1936 ab. Insgesamt entstanden 54 Siedlungshäuser in verschiedenen Bautypen, die in Größe, Ausführung und Mietpreis voneinander abwichen. Die Häuser waren unterkellert und verfügten über eine Gartenfläche von jeweils rund 1000 Quadratmetern.

Der Siedlungsbau war während der Weimarer Republik überaus populär, spielte aber auch in der nationalsozialistischen Ideologie eine große Rolle. Das rassistisch und antisemitisch aufgeladene Ideal der bäuerlichen Lebensform als sich selbst versorgende Einheit im ländlichen Idyll schien sich hier zu verwirklichen. In unserem Geschäftsbericht von 1939 wurde besonders die „planmäßige Bewirtschaftung des Gartenlandes“ zur „Sicherstellung der Ernährung unseres Volkes“ in der Kriegszeit hervorgehoben. Ein fataler Euphemismus angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen!

 

Entwicklung in der Nachkriegszeit

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Wohnanlage – im Gegensatz zum Großteil unserer Liegenschaften – unversehrt. In der Nachkriegszeit konzentrierten wir uns zunächst auf die anfallenden Reparaturen: Wir erneuerten Schornsteinköpfe, überholten Dächer, isolierten Giebelwände und führten notwendige Mauer- und Tischlerarbeiten aus. Grundlegende Modernisierungsarbeiten folgten 1981. Wir setzten isolierverglaste Fenster ein und deckten die Dächer teilweise neu ein.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert wuchs die Sorge um die Zukunft der Wohnanlage. Die Grundrisse mit den kleinen Räumen, unzureichender Sanitärausstattung und fehlender Wärmedämmung konnten den gegenwärtigen Anforderungen kaum mehr entsprechen. Zwar hatten einige Mitglieder ihre Wohnfläche durch Anbauten vergrößert, insgesamt schien es aber notwendig, eine Perspektive für das gesamte Ensemble zu schaffen. Nach Möglichkeit sollte dabei auch zusätzlicher Wohnraum entstehen. Wir beauftragten eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse wir mit den Anwohnerinnen und Anwohnern diskutierten. Angedacht war, die Gebäude – bei Auszug oder auf freiwilliger Basis – sukzessive durch moderne Wohneinheiten zu ersetzen. 2001 entstanden so drei Neubauten mit jeweils über 100 Quadratmetern Wohnfläche. Ein Einzelhaus mit 54 Quadratmetern musste dafür weichen. Außerdem wurde ein Verfahren zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes eingeleitet, der die Siedlung langfristig erhalten und modernen Wohnraum für Familien im Grünen schaffen sollte.

Dagegen regte sich Widerstand. Ein Bürgerbegehren verhinderte die Fortführung des Planverfahrens. Der Diskussionsprozess zog sich länger als ein Jahrzehnt. In dieser Zeit kam die Weiterentwicklung der Siedlung nur langsam voran. Erst 2015 wurde mit dem Bebauungsplan „Poppenbüttel 40“ eine Kompromisslösung gefunden. Unter Federführung von Politik und Verwaltung erarbeiteten Genossenschaftsleitung, lokale Mitgliedervertretung und die Bürgerinitiative gemeinsam baugestalterische Vorgaben für einen Bebauungsplan. Anforderungsbedingungen wurden beispielsweise für den Bau und die Gestaltung der Dächer und der Außenwände festgelegt, überdies wurden der Umfang und die Form der Nachverdichtung geregelt. Diese Lösung ist mit Abstand betrachtet und unter Berücksichtigung der heutigen angespannten Lage am Hamburger Wohnungsmarkt sicherlich einmalig und außergewöhnlich.

 

Drei neue Doppelhäuser

Nach langer Ungewissheit liegen nunmehr verlässliche Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung der Siedlung vor. Den Vorgaben folgend, ersetzen wir frei werdende Häuser seither sukzessive durch Neubauten, um die Anlage schrittweise an die heutigen Bedürfnisse unserer Mitglieder anzupassen. Dazu gehört, dass wir die neuen Häuser in Poppenbüttel in Niedrigenergiebauweise errichten. Im Vergleich zu unseren Altbauten verringert sich der CO2-Ausstoß dadurch deutlich. An diesen Trend knüpfen wir auch in Zukunft an: Im September 2023 haben wir drei neue Doppelhäuser an unsere Mitglieder übergeben.