Unsere Quartiere im Wandel

Vom Arbeiterschloss zur modernen Wohnanlage Venusberg

In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick auf die erste Wohnanlage unserer Genossenschaft - und zwar im einzigen Stadtteil, der sowohl an der Binnenalster als auch an der Elbe liegt. Heute befinden wir uns in der Hamburger Neustadt - einem zwischen der Hamburger Altstadt und St. Pauli gelegenen Stadtteil im Bezirk Hamburg-Mitte. Durch seine zentrale Lage und die vielen Sehenswürdigkeiten ist er nicht nur bei Touristen beliebt, auch Einheimische fühlen sich hier wohl: Zahlreiche Cafés und Restaurants im Schlemmerparadies Portugiesenviertel, der Park Planten und Blomen und der nahe gelegene Hafen mit den Landungsbrücken laden zum Verweilen, Flanieren und Entdecken ein. Heute leben unsere Mitglieder in acht Wohnanlagen in der Hamburger Neustadt. Im Jahr 1900 errichteten wir unsere erste Wohnanlage - "das Arbeiterschloss" - in der südlichen Neustadt.

Die Geschichte der Schiffszimmerer-Genossenschaft ist eng mit dem Hafen verknüpft: Nach der Gründung 1875 beschäftigten wir uns mit dem Ankauf und dem Betrieb von Werftanlagen zum Bau von Holzschiffen. Nach dem Niedergang des Holzschiffbaus rückten der Erwerb und die Vermietung von Wohnungen ins Zentrum unserer Aktivitäten. Als Genossenschaft für Hafenarbeiterinnen, Hafenarbeiter und deren Angehörige bemühten wir uns insbesondere um hafennahe Wohnungen in der dicht besiedelten Hamburger Neustadt. Kaum verwunderlich also, dass sich hier heutzutage einige unserer ältesten Wohnanlagen befinden. Auch der erste eigene Neubau lässt sich hier lokalisieren.

Zahlreiche Häuser eines ersten Bauabschnitts, geplant mit 314 kleinen Wohnungen sowie verschiedenen Läden, konnten unsere Mitglieder bereits im Sommer 1952 beziehen. Einige Monate später stellten wir einen zweiten Abschnitt mit 288 zusätzlichen Wohnungen fertig. In der zweiten Jahreshälfte 1953 begannen wir mit den Arbeiten an einem dritten Bauabschnitt. Mit einer Fläche von durchschnittlich rund 50 Quadratmetern und eigenen Badezimmern waren die 109 Wohnungen dieses Vorhabens bereits deutlich geräumiger konzipiert als die benachbarten Bauten.

Vom Arbeiterschloss zum Gebhardhof

Seit 1890 kauften wir Wohnquartiere und vermieteten sie an unsere Mitglieder. Um die Jahrhundertwende wagten wir uns erstmals an ein eigenes Bauprojekt: Im Jahr 1900 erwarben wir einen rund 1.700 Quadratmeter großen Platz in der südlichen Neustadt, auf dem ein Wohnkomplex mit zunächst 136 Wohnungen und Läden in zwölf Häusern entstand. Wegen seiner modernen Ausstattung erlangte der Dreiecksbau mit Lichthof bald als „Arbeiterschloss“ Bekanntheit. Hier wuchs der spätere Vorstand Matthias Strenge als Sohn eines Schiffszimmerers auf. In späteren Jahren erhielt der Bau den Namen „Gebhardhof“, um an den Sozialpolitiker und Förderer des sozialen Wohnungsbaus Hermann Gebhard zu erinnern.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Wohnquartier schwer beschädigt. Die Hauptschäden gehen auf das Frühjahr 1945 zurück, die Wohnanlage war aber seit 1943 wiederholt in Mitleidenschaft gezogen worden. Im Juni 1944 entstand nicht nur erheblicher Sachschaden, auch mehrere Angehörige der Genossenschaft starben. Anfang August galten drei der Häuser als unbewohnbar. Für die Durchführung der nun anfallenden Auf- und Schutträumarbeiten wurden Kriegsgefangene eingesetzt und zur Mitarbeit gezwungen.

Bei Kriegsende waren etwa 70 Prozent der Wohnungen vollständig zerstört oder unbewohnbar. Auch an sämtlichen Dächern und zahlreichen Sielleitungen mussten wir größere Schäden feststellen. Maßnahmen zur Wiederinstandsetzung kamen allerdings nur schleppend in Gang. Dringend notwendige Dacharbeiten führten wir erst 1946 durch. Im selben Jahr gelang es, Wohnungen in drei Häusern vorläufig instand zu setzen. Außerdem überzeugten wir die städtischen Stellen von der Notwendigkeit der Schutträumung. Rund 1.200 Kubikmeter Bauschutt wurden entfernt. Im weiteren Verlauf beseitigten wir Gefahrenzustände, zogen neue Giebelwände, verlegten Notdächer und erneuerten Regenrinnen und -fallrohre. Bis zum Herbst 1948 waren über die Hälfte der Wohnungen wieder bewohnbar.

Dennoch blieb der Komplex ein Provisorium. Die ganze Umgebung war von den Kriegseinwirkungen betroffen und sollte umgestaltet werden: 1949 bat uns der damalige Bausenator, an der Bebauung des Ordnungsgebiets um die Michaeliskirche mitzuwirken. In den folgenden Jahren kauften wir zahlreiche Einzelgrundstücke. Nach einem langwierigen Umlegungsverfahren verfügten wir schließlich über eine zusammenhängende Fläche von weit über 6.000 Quadratmetern.

Vom Gebhardhof zum Venusberg

1956 begannen wir damit, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gebhardhof vier Blöcke mit 122 Wohnungen und 18 Läden zu errichten. Nach der Fertigstellung 1957 sollten in einer zweiten Bauphase vier weitere Blöcke entstehen. Im Zuge dessen wurde der verbliebene Teil des alten Gebhardhof noch im selben Jahr abgerissen. Wegen einer veränderten Straßenführung musste ein Teil des Grundstücks ohnehin an die Stadt abgegeben werden. Als Ausgleich erhielten wir eine unmittelbar anliegende Fläche, die nach Aufhebung des südlichen Teils der Zeughausstraße verfügbar wurde.

Vor dem Abriss hatten wir uns erfolgreich um Ausweichquartiere für die Bewohnerinnen und Bewohner des alten Gebhardhof bemüht. Wegen weiterer Umlegungen verzögerte sich das Neubauprojekt aber auch in den Folgemonaten. Erst 1959 konnten wir mit dem zweiten Bauabschnitt beginnen. Es entstanden weitere 105 Wohnungen, mehrere Läden, ein Büro-/Atelierraum und 24 Garagen.

Mitte der 1960er Jahre erwarben wir ein angrenzendes Grundstück, dessen Eigentümerin sich seinerzeit nicht an der Umlegung beteiligt hatte. Hier bauten wir 18 zusätzliche Wohnungen. Weiteren Zuwachs erhielt unsere Wohnanlage zwanzig Jahre später. 1985 kauften wir acht Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft, die zeitgleich mit unserer Wohnanlage in der zweiten Bauphase entstanden waren. Damals hatten wir die Baubetreuung übernommen, insofern fügten sie sich nahtlos in unseren Wohnungsbestand ein.

Urlaub in der Gästewohnung

Inzwischen verfügen wir hier über 252 Wohnungen. Zusätzlich bieten wir einen besonderen Service: Im „neuen“ Gebhardhof, am Venusberg 36 haben wir seit 2016 eine Gästewohnung mit spektakulärem Blick über den Hamburger Hafen eingerichtet. Diese Wohnung können unsere Mitglieder für auswärtigen Besuch reservieren, sie steht aber auch den Mitgliedern anderer Wohnungsgenossenschaften zur Verfügung, die sich an der „Gästewohnungsdatenbank“ der Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V. beteiligen. Der Clou daran? Auch unsere Mitglieder können seither die komplett möblierten Gästewohnungen anderer Genossenschaften in verschiedenen Regionen Deutschlands kostengünstig nutzen!